Hochschultage Berufliche Bildung 2019
Workshop 09 Zur Zukunft der berufichen Didaktik(en)
Prof. Dr. Ralph Dreher (Universität Siegen)
Prof. Dr. Volkmar Herkner (Universität Flensburg)
1996 wurde das Lernfeldkonzept erstmals durch die KMK beschrieben – und damit sowie in den folgenden, immer wieder überarbeiteten Handreichungen der KMK sowie der die Fokussierung vorantreibenden Rahmenvereinbarung über die Berufsschule von 2015 eine berufsbildungspolitische Manifestierung zugunsten der Handlungsorientierung vollzogen.
Gleichwohl muss konstatiert werden, dass dieses Top-Down die berufliche Bildung bestimmende Konzept bis heute nicht die Wirkung entfaltet hat, die sich deren Akteure erhofften. Seitdem ist die berufliche Didaktik verstärkt gespalten in ihrer Auffassung, ob Handlung Wissen erzeugt oder nicht Wissen Handlung erst ermöglicht oder ob das Fach mit seiner Systematik nicht beherrscht werden muss, um den Arbeitsprozess zu gestalten bzw. der Arbeitsprozess nicht die eigentliche Fachlichkeit darstellt.
Im Zuge der Digitalisierung wird "das Fachliche" angesichts zunehmender Interdisziplinarität von beruflichen Aufgaben jedoch ebenso diffuser wie die Möglichkeit, berufstypische Arbeitsprozesse als didaktische Basis bei sich immer schneller wandelnden Arbeitsaufgaben zu erfassen. Die zunehmende Automatisierung nicht nur von Handlingprozessen, sondern auch von Entscheidungen widerspricht dem Prinzip des Arbeitsprozesses als fest umrissenen Lösungsalgorithmus ("best case") für eine klar definierte Arbeitsaufgabe. Zukünftige Arbeitsaufgaben werden einen inhaltlich eher singulären Charakter bekommen, Strategien zu ihrer Bewältigung werden indifferent. Zugleich wird der Gestaltungsanspruch auf einer Metaebene aus mentaler Vernetzung (von Fachwissen mit Problemlösealgorithmen), sozialer Vernetzung (kollaborativer Lösungsprozess), simulativer Entscheidungsfindung und kommunikativer Prozessvisualisierung (Offenlegung für Anwenderinnen undAnwender, Leitungsebene und Kundinnen und Kunden) zunehmen.
Für die Berufsbildungstheorie und -praxis ist – mit Blick auf die das Lernfeldkonzept determinierende Idee, Handlung als Kern von Arbeitsprozess zu betrachten– relativ einseitig die Förderung von Kompetenzen in den Mittelpunkt gerückt. Berufliche Lernprozesse drohen so einem neuen, ggf. sogar dequalifizierenden Utilitarismus ausgesetzt zu werden, weshalb die Orientierung an Kompetenzen gerade angesichts der Ideologisierung des Kompetenzbegriffs vorurteilsfrei zu überprüfen ist.